Warum neue Kontakte deine Einsamkeit nicht lösen und was wirklich hilft

Fühlst du dich einsam? Sicher hast du schon zahlreiche Ratschläge gehört, von "geh doch mehr raus" bis zu App-Angeboten wie Meet5 oder Bumble Friends. Das klingt logisch: Wer sich nach Nähe sehnt, sollte neue Leute treffen. Doch bei meinen Gesprächen mit zahllosen Betroffenen höre ich immer wieder, wie schlecht das funktioniert. Menschen gehen zu Meetups, aber es entstehen keine engen Beziehungen. Das Gefühl der Einsamkeit bleibt. Interessanterweise ist das keineswegs unerwartet, auch wenn mich diese Begegnungen und Schilderungen jedes Mal aufs Neue berühren. Diese Beobachtung spiegelt exakt den aktuellen Stand der Einsamkeitsforschung wider. Dieser Artikel erklärt, was wir über Einsamkeit wissen. Er zeigt, warum die effektivsten Interventionen nicht bei neuen Kontakten ansetzen. Und er zeigt, wie du das nutzen kannst, um dich weniger einsam zu fühlen.

Porträtfoto von Silvan Hornstein, Psychologe und Autor, der über Themen rund um Psychologie, soziale Gesundheit und Einsamkeit schreibt.
Dr. Silvan Hornstein
November 12, 2025
5 min read
Bank als Symbolbild für Einsamkeit

Was ist Einsamkeit überhaupt?

Um zu verstehen, wieso Meetups Einsamkeit nicht einfach auflösen können, ist es wichtig zu verstehen, was Einsamkeit überhaupt ist. In der Psychologie definiert man sie als einen subjektiven Zustand. Es ist die wahrgenommene Lücke zwischen den Beziehungen, die man sich wünscht, und denen, die man hat. Es geht nicht um die objektive Anzahl deiner Kontakte. Einfach mehr Menschen zu treffen (soziale Isolation zu verringern) muss dieses Gefühl also nicht lösen. Tatsächlich wird immer wieder, dass man sich gerade unter vielen Menschen, zu denen man keine tiefe Beziehung hat, besonders einsam fühlen kann.

Darum fühlen sich Meetups oft so einsam an.

Gerade auf Meetups lernen wir viele neue Menschen  kennen. Wir haben aber (noch) keine enge, vertrauensvolle Bindung zu ihnen. Ein solcher oberflächlicher Kontakt löst das tiefe, subjektive Gefühl der Einsamkeit also häufig nicht auf. Denn die
Qualität starker und langfristiger Beziehungen ist es, was nachweislich das Gefühl der Einsamkeit senkt. Und genau der Aufbau dieser Beziehungen, also die Umwandlung des sporadischen Kontaktes in eine tiefe Verbindung ist es, was vielen Betroffenen schwerfällt.

Der Teufelskreis: Warum der Beziehungsaufbau scheitert

Doch was genau macht diesen nächsten Schritt so schwierig? Schließlich hat man sich ja bereits zu dem Meetup getraut und das Haus verlassen. Warum wird aus einem Gespräch dann kein neuer enger Kontakt? Hier bietet die Klinische Psychologie ein, wie ich finde, sehr überzeugendes Modell an: Kognitive Verzerrungen und hinderliche Verhaltensmuster verstärken sich gegenseitig in einem Kreislauf. Lass uns diesen schrittweise betrachten:

1. Hinderliche Gedanken (Die Wurzel)Aufgrund früherer Verletzungen oder negativer Beziehungserfahrungen entwickeln wir negative Überzeugungen (sogenannte Schemata).

  • "Ich bin langweilig."
  • "Ich bin nicht liebenswert."
  • "Andere werden mich sowieso abwerten oder verlassen."

2. Verzerrte Wahrnehmung (Die Brille). Diese Gedanken färben unsere Wahrnehmung. Wir scannen soziale Situationen unbewusst nach Beweisen für unsere Angst.

  • Ein neutraler Gesichtsausdruck wird als Ablehnung interpretiert.
  • Eine abgesagte Verabredung wird als Beweis gesehen, dass man uninteressant ist.

3. Hinderliches Verhalten (Der Schutzpanzer). Um uns vor der erwarteten Verletzung zu schützen, verhalten wir uns "sicher".

  • Wir ziehen uns in Gruppen zurück oder bleiben passiv.
  • Wir schauen aufs Handy, um beschäftigt auszusehen.
  • Wir halten Gespräche oberflächlich, um nicht angreifbar zu sein.

4. Das Ergebnis (Die Bestätigung). Durch dieses passive oder distanzierte Verhalten machen wir es anderen schwer, eine Verbindung aufzubauen.

Wir gehen vom Meetup nach Hause, und das Gefühl der Einsamkeit bleibt. Und unser Kopf flüstert uns: "siehst du!". Der Kreislauf hat sich selbst bestätigt.

Den Kreislauf durchbrechen: Was wirklich hilft

Diese Theorie ist keine Küchenpsychologie: Wenn man Untersuchungen zur Verringerung von Einsamkeit betrachtet, findet man sie klar bestätigt. Meta-Analysen zeigen: Die Arbeit an solchen hinderlichen Denkmustern im Sinne der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ist am effektivsten, um Einsamkeit zu verringern.

Es geht nicht darum, dich einfach in mehr soziale Situationen zu werfen. Es geht darum, dir die Werkzeuge zu geben, damit diese Situationen erfolgreich werden können. Dafür gibt es gut erforschte Techniken.

Es gibt zwei Hauptansatzpunkte, um den Teufelskreis zu durchbrechen:

1. Die Gedanken ändern (Kognitive Intervention)

Der stärkste Hebel ist die Veränderung der hinderlichen Gedanken. Solange du innerlich überzeugt bist, "langweilig" oder "nicht liebenswert" zu sein, wird sich jede neue Begegnung wie ein Test anfühlen, den du nur verlieren kannst.

Die KVT hilft hier mit einem klaren Prozess:

  • Erkennen: Lerne, deine automatischen Gedanken zu bemerken, wenn du dich einsam oder ängstlich fühlst. ("Ah, da ist er wieder, der Gedanke: 'Ich störe nur'.")
  • Überprüfen: Frage dich, ob dieser Gedanke zu 100% wahr ist oder nur eine alte, schmerzhafte Vermutung. ("Was spricht dagegen? Die Person hat mich angelächelt.")
  • Ersetzen: Entwickle alternative, hilfreichere Gedanken, die realistischer sind. (Nicht: "Ich bin der Star", sondern: "Ich bin okay, so wie ich bin. Ich darf nervös sein.")

2. Das Verhalten trainieren (Soziale Kompetenz)

Gleichzeitig müssen wir das hinderliche "Schutzverhalten" (den Schutzpanzer) ablegen. Wir müssen aktiv die Fähigkeiten – sogenannte Soziale Kompetenzen – trainieren, die echte, beziehungsstiftende Momente ermöglichen.

  • Small Talk nutzen: Small Talk ist nicht oberflächlich. Er ist die notwendige Brücke, um überhaupt die Chance auf tiefere Gespräche zu bekommen.
  • Aktiv Zuhören: Zeige echtes Interesse, stelle offene Fragen und spiegele, was du hörst. Das schafft schneller Verbindung als alles andere.
  • Sich schrittweise öffnen: Echte Nähe entsteht, wenn wir wagen, authentisch zu sein und etwas Persönliches von uns preiszugeben (Selbstöffnung). Das macht dich nahbar, nicht schwach.

Den Kreislauf durchbrechen

Diese Theorie ist keine Küchenpsychologie. Sie findet sich klar bestätigt, wenn man Untersuchungen zur Verringerung von Einsamkeit betrachtet. Hier zeigt sich: Die Arbeit an solchen hinderlichen Kreisläufen, im Sinne der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT), ist am effektivsten darin, Einsamkeit zu verringern.

Tatsächlich gibt es gut erforschte Techniken, die hierbei helfen. Es geht darum, den Kreislauf an zwei Punkten zu knacken: bei den Gedanken und beim Verhalten.

1. Der stärkste Hebel: Die Gedanken ändern

Solange du innerlich überzeugt bist, "langweilig" zu sein, wird sich jedes neue Gespräch wie ein Test anfühlen. Deshalb ist der erste Schritt, diese automatischen Gedanken zu erkennen und zu verändern.

  • Erkennen: Lerne, diese Gedanken überhaupt zu bemerken, wenn sie passieren. ("Ah, da ist er wieder, der Gedanke: 'Ich störe nur'.")
  • Überprüfen: Frage dich: Ist dieser Gedanke 100% wahr oder nur eine alte, schmerzhafte Vermutung? Was spricht dagegen?
  • Ersetzen: Formuliere hilfreichere, realistischere Gedanken. (Nicht: 'Alle mögen mich', sondern: 'Ich bin okay. Ich darf nervös sein.')

2. Der zweite Hebel: Das Verhalten trainieren

Gleichzeitig müssen wir den "Schutzpanzer" ablegen. Das bedeutet, aktiv die Fähigkeiten (sozialen Kompetenzen) zu trainieren, die echte Verbindungen schaffen.

  • Small Talk nutzen: Small Talk ist nicht oberflächlich. Er ist die Brücke, die du überqueren musst, um überhaupt zu tieferen Gesprächen zu kommen.
  • Aktiv Zuhören: Zeige echtes Interesse. Stelle offene Fragen, nicke, spiegele, was du hörst. Das schafft schneller Verbindung als alles andere.
  • Sich schrittweise öffnen: Echte Nähe braucht etwas Mut. Du musst etwas von dir preisgeben (Selbstöffnung), damit andere andocken können.

Ausblick

In diesem Artikel haben wir erklärt was Einsamkeit ist und besprochen, weshalb Meetups oft nicht helfen sich weniger einsam zu fühlen. Als Erklärung haben wir das Kognitive Modell der Einsamkeit vorgestellt und gezeigt wie sich dieser "Teufelskreis" aus Gedanken und Verhalten knacken lässt. Hierbei kannst und solltest du dir gerne helfen lassen, etwa von einem Psychotherapeuten oder mit der Nutzung unsere App gegen Einsamkeit platoniq. Denk dran: Dieser Ansatz hat sich in vielen Studien als effektiv bewiesen und somit hast auch du eine gute Chance, dich hiermit weniger einsam zu fühlen.

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